Wie unterscheiden sich bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit?
Bei Tötungsdelikten stellt sich für den Strafverteidiger oft die Frage nach der Nachweisbarkeit des Tatablaufs. Oft bestehen darüber jedoch keine Zweifel, so dass der Rechtsanwalt rechtlich argumentieren muss. Anders gesagt: wenn ein bestimmter Sachverhalt sich erwiesenermaßen auf eine bestimmte Art ereignet hat, kann der Rechtsanwalt für Strafrecht seine Argumentation darauf beschränken, dass das Verhalten seines Mandanten rechtlich nicht strafbar ist. Das ist natürlich bei Tötungsdelikten besonders interessant.
Oft stellt sich weiterhin die Frage, ob der jeweilige Mandant bewusst fahrlässig oder bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Für die Entscheidung des Gerichts ist dies von ausschlagegebender Bedeutung: Im Fall einer fahrlässigen Tötung ist max. eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren möglich, jedoch auch eine Geldstrafe. Für den nicht vorbestraften Täter sollte hier also eine Bewährung durchaus möglich sein. Demgegenüber ist bei Totschlag eine Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren möglich. Der Unterscheid ist also gewaltig.
Die Kunst des Rechtsanwaltes liegt in solchen Fällen darin, Anhaltspunkte zu finden, um das Gericht von einer Fahrlässigkeit seines Mandanten zu überzeugen.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes kann ein bedingter Tötungsvorsatz (Höhere Strafe !) jedoch schon angenommen werden, wenn der Täter dem Opfer gleichgültig gegenübersteht.
Der Unterschied zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit liegt darin, dass der fahrlässig handelnde mit der Folge seines Handelns nicht einverstanden ist und darauf vertraut, dass diese Folge ausbleibt, während der vorsätzlich handelnde Täter ein bestimmtes Ziel verfolgt und die schädliche Folge billigend in Kauf nimmt oder sich damit abfindet. In dem vom Bundesgerichtshof behandelten Fall (BGH, 25.04.2019, 4 StR 442/18) ging es um folgenden Sachverhalt:
Nach Ende eines Hoffestes wollte der Angeklagte trotz erheblicher Alkoholisierung mit dem PKW nach Hause fahren. In einem Kreisverkehr stand die später Getötete ein Stück weit in der Fahrbahn um ein Taxi anhalten zu können. Der Angeklagte verstand das falsch, hielt direkt vor der später Getöteten an und forderte sie auf, zur Seite zu gehen. Nachdem die Geschädigte nicht zur Seite trat, fuhr der Angeklagte sie mit leichter Geschwindigkeit an, was dazu führte, dass das Opfer auf der Motorhaube landete. Der Angeklagte fuhr jedoch weiter und umrundete den Kreisverkehr zu etwa einem Viertel, was etwa 5-7 Sekunden dauerte. Dann konnte die Geschädigte sich nicht mehr halten, rutschte von der Motorhaube und kam vor dem Fahrzeug des Angeklagten zu liegen. Sie gelangte sofort unter das Fahrzeug, so dass der Angeklagte sie überfuhr, wodurch sein Fahrzeug eine wippende Auf- und Abbewegung machte. Dies bemerkte der Angeklagte, er fuhr trotzdem weiter. Dabei bremste er nicht und verlangsamte auch seine Fahrt nicht. Er fuhr etwa 400 m weiter, wobei die Geschädigte die gesamte Fahrtstrecke mitgeschleift wurde und dabei zu Tode kam.
Während das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz nicht bejaht hatte, korrigierte der Bundesgerichtshof in der Revision diese Ansicht und führte Folgendes aus:
Da der Angeklagte erkannt hatte, dass die Geschädigte von seiner Motorhaube gerutscht und unter das Fahrzeug gekommen war (Wippbewegung !) und gleichwohl weiterfuhr, dokumentierte er dadurch, dass ihm das Schicksal der Geschädigten egal war.
Hinzu kam, dass die Mitinsassen seines Fahrzeugs ihn mit zunehmender Intensität zum Anhalten aufgefordert hatten. Der BGH schloss daraus, dass dem Angeklagten das Risiko dadurch noch stärker bewusst wurde und er die intensiver werdenden Wahrnehmungen jedoch gleichbleibend ignorierte.
Der BGH führte weiterhin aus, dass der Angeklagte in einer solchen Situation kein Tötungsmotiv haben muss, da er ja lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt.
Zudem kritisierte der Bundesgerichtshof, dass das ursprünglich zuständige Landgericht mehrere Punkte nicht erörtert hatte, die sich jedoch aufgedrängt hätten.
Im Ergebnis wurde also bedingter Tötungsvorsatz festgestellt, weil dem Angeklagten das Schicksal der Getöteten gleichgültig gewesen war. Dies schloss der Bundesgerichtshof aus dem nach außen erkennbaren und festgestellten Sachverhalt.
Fazit
Bei Mord und Totschlag ist die Frage nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit oft zentral. Hieran kann sich entscheiden, ob der Beschuldigte eine Bewährungsstrafe erhält oder viele Jahre in Haft muss. Die Rechtsanwälte Löwenberg in Würzburg sind mit der neusten Rechtsprechung vertraut und können Ihnen kompetente und fachkundige Hilfe leisten.