Die sogenannte Beschuldigteneigenschaft gehört zu den zentralen Begriffen im Strafprozess. Der Begriff klingt langweilig, die meisten können damit nicht viel anfangen – dabei ist die Frage der Beschuldigteneigenschaft wichtiger, als man sich vorstellen kann.
Sobald jemand den sogenannten Beschuldigtenstatus hat, muss er von der Würzburger Polizei bzw. Staatsanwaltschaft belehrt werden. Das bedeutet auch, dass bei fehlender Belehrung die Aussage nicht verwertet werden kann – wenn der Rechtsanwalt für Strafrecht widerspricht.
Typisch ist folgende Situation: Ein Betroffener befindet sich bei der Polizei und soll als Zeuge aussagen. Während der Vernehmung merkt die Polizei, dass der gerade Vernommene möglicherweise nicht Zeuge ist, sondern vielleicht sogar Beschuldigter.
Das ist der entscheidende Zeitpunkt, ab welchem die Polizei den Betroffenen mit anderen Augen sieht. Er ist nicht nur jemand, der vielleicht Angaben zur Sache kann. Vielmehr wird jetzt auch gegen ihn ermittelt.
Daran wird bereits folgendes deutlich: Als Zeuge kann Ihnen nichts passieren, als Beschuldigter droht möglicherweise Untersuchungshaft.
Es gibt immer wieder Fälle, in denen die Polizei die Beschuldigteneigenschaft ganz bewusst „nicht sieht“. Sie behandelt einen Betroffenen weiterhin als Zeugen, möglicherweise auch, um ihn eben nicht belehren zu müssen und weitere Auskünfte von ihm zu erlangen. Wer als Beschuldigter belehrt wird, verweigert möglicherweise die Aussage. Für einen Zeugen ist das nicht möglich.
Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, wenn die Polizei eine Person lieber als Zeugen behandelt – und nicht als Beschuldigten.
So funktioniert das Strafrecht aber nicht, wie ein aktueller Beschluss des BGH zeigt (BGH, 06.06.2019, StB 14/19):
Falls ein Tatverdacht gegen den Betroffenen vorliegt und dieser Tatverdacht bereits eine bestimmte Stärke erreicht hat, darf die Polizei sich nicht blind stellen, sondern muss den Betroffenen als Beschuldigten behandeln – und ihn folgerichtig belehren und auf sein Recht hinweisen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Falls sie den Beschuldigten nicht belehrt, sein Anwalt später der Verwertung der Vernehmung widerspricht, können die Angaben, die der Betroffene gemacht hat, nicht verwertet werden. Anders gesagt: Der Betroffene wird so behandelt, als wenn er nichts gesagt hätte.
In dem vom BGH behandelten Fall hatte die Polizei verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil sie trotz eines hinreichend starken Tatverdachts nicht zu einer Beschuldigtenvernehmung übergegangen war, sondern den Betroffenen als Zeugen behandelt hatte.
Der BGH stellte dazu fest, dass ein bewusst missbräuchliches Verhalten des Vernehmungsbeamten gar nicht erforderlich sei. Es reiche aus, wenn es sachlich unvertretbar sei, den Tatverdacht zu verneinen – der zur Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO führen würde.
Im Zweifel gilt daher: Wenn Sie von der Polizei vernommen werden, ob als Zeuge oder als Beschuldigter, suchen Sie im Zweifel immer Kontakt zu einem Rechtsanwalt für Strafrecht. Falls auch nur irgendwie die Möglichkeit besteht, dass Sie mit der Sache, zu der Sie aussagen sollen, zu tun haben, sollten Sie zu der Vernehmung nur mit anwaltlichem Beistand gehen. Auch kann eine solche Vernehmung schriftlich durchgeführt werden.