Wer sich in einem Gefängnis befindet, hat im Falle eines neuen strafrechtlichen Verfahrens immer Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO sagt dazu: Wenn der Beschuldigte sich aufgrund richterlicher Anordnung in einer Anstalt befindet, liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung (= Pflichtverteidigung) vor.
Das ist ein eindeutig, wenn der Beschuldigte sich in der JVA befindet oder auf Therapie im Rahmen einer § 64-Maßregel. In beiden Fällen ist der Beschuldigte eingesperrt und kann die Einrichtung nicht verlassen.
Unklar war bislang im Rahmen der Therapie nach § 35 BtMG, ob auch hier Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht. Schließlich ist der Beschuldigte nicht im eigentlichen Sinne eingesperrt.
Trotzdem hat er auch in solchen Fällen Anspruch darauf, einen Pflichtverteidiger beigeordnet zu bekommen. Dazu die Entscheidung des Landgerichts Hannover (25.03.2022, 40 Qs 12/22):
Dort wird ausgeführt, dass zur „Anstaltsunterbringung“ insbesondere die verschiedenen Formen der Haft sowie auch die Unterbringung nach § 64 StGB oder § 63 StGB gehören. In analoger Anwendung gelte dies auch für § 35 BtMG sowie für eine Alkoholentzugsbehandlung – soweit diese die persönliche Freiheit einschränkt.
In derartigen Fällen ist den Beschuldigten nach § 141 StPO ein Pflichtverteidiger sogar unverzüglich zu bestellen.
Das heißt in der Praxis
Wer sich in Haft, auf einem 63er oder 64er oder eben einem 35-er befindet und mitgeteilt bekommt, dass gegen ihn ein neues Strafverfahren läuft, hat sofort Anspruch auf einen Pflichtverteidiger.
In derartigen Fällen sollte nicht abgewartet werden.
Wer in Haft oder auf Therapie ist und ein polizeiliches Schreiben wegen eines Strafverfahrens bekommt, sollte sich sofort an den Rechtsanwalt seines Vertrauens wenden.