Im Rahmen der Untersuchungshaft sollte der Strafverteidiger immer darauf achten, dass das Beschleunigungsgebot vom Gericht beachtet wird. Im Gefängnis wird jeder schon einmal von der sechs-Monats-Frist zur Vorlage beim Oberlandesgericht gehört haben: Falls ein Betroffener länger als sechs Monate in Untersuchungshaft gehalten werden soll, muss die Akte dem Oberlandesgericht als nächste Instanz vorgelegt werden und die Fortdauer der Untersuchungshaft eigens angeordnet werden. Anders gesagt: Die Justiz kann den Betroffenen nicht einfach so „bis auf Weiteres“ im Gefängnis halten.
Eine Entscheidung des OLG Bremen bringt lehrreiches zur Frage der Untersuchungshaft und deren Dauer (OLG Bremen, 24.04.2019, 1 Ws 44/19):
Hier wird festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft grundsätzlich nach der Dauer der Strafe zu beurteilen ist, die der Betroffen voraussichtlich zu erwarten hat. Das Gericht kann also jemanden, der nur wegen einfachen Diebstahls angeklagt wird, nicht einfach in U-Haft nehmen. Vielmehr ist vor der Untersuchungshaft immer zu fragen, welche Strafe den Betroffenen im Falle einer Verurteilung wohl erwarten würde. Bei weniger als zwei Jahren wird ein Haftbefehl kaum gerechtfertigt sein.
Das OLG Bremen hat weiterhin festgestellt, dass im Falle der Fortdauer der Untersuchungshaft auch das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung ist. Hier kann der Anwalt für Strafrecht also einwirken: Falls die Beweislage gegen seinen Mandanten ohnehin erdrückend ist, sollte vorab über ein Geständnis nachgedacht werden – umso die Untersuchungshaft zu vermeiden.
Ein weiterer Grundsatz lautet: Je länger die Untersuchungshaft andauert, desto größer wird der Freiheitsanspruch des Betroffenen und desto schneller muss das eigentliche Strafverfahren durchgeführt werden.
Weiterhin verlangt nach der Entscheidung der Beschleunigungsgrundsatz, dass das Gericht bei größeren Verhandlungen mit mehr als einem Hauptverhandlungstag plant, um vorwärts zu kommen. Die daraus entstehende Terminsdichte kann nur aus besonderen Gründen unterschritten werden. Zu solchen besonderen Gründen zählt jedoch nicht eine mögliche Komplexität des Verfahrens oder schwerwiegende Tatvorwürfe. Das Gericht darf also nicht nur etwa drei Termine im Monate einplanen mit der Begründung, dass es doch um Raub, Vergewaltigung oder Totschlag gehe.
Weiterhin darf eine Verzögerung nicht damit gerechtfertigt werden, dass das Gericht überlastet sei. Es ist seit Jahren bekannt, dass nicht nur die Würzburger Gerichte überlastet sind. Die Rechtsprechung betont jedoch immer wieder, dass die Richter sich darauf nicht ausruhen dürfen.
Dementsprechend hat es schon Entscheidungen gegeben, in denen die Untersuchungshaft aufgehoben wurde, weil das Gericht nicht rechtzeitig terminiert und dieses damit begründet hat, dass man dies aufgrund personeller Engpässe nicht hinbekommen habe.
Das heißt im Klartext: Wenn die Gerichte es wegen fehlenden Personals und zu dünn besetzter Strafkammern nicht hinbekommen, rechtzeitig zu terminieren, muss im Zweifel der Betroffene aus der Untersuchungshaft freigelassen werden.