„Pflichtverteidigung“ heißt, dass die Kosten der Strafverteidigung zunächst vom Staat getragen werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Prozesskostenhilfe („Armenrecht“), die es nur im Zivilrecht gibt. Die Pflichtverteidigung (§ 140 StPO) funktioniert ganz anders:
- Bei der Prozesskostenhilfe im Zivilrecht wird der Anwalt vom Staat gezahlt, wenn der Betroffene zu wenig Geld hat und sich selbst keinen Anwalt leisten kann.
- Im Strafrecht bekommt man einen Pflichtverteidiger unter bestimmten Voraussetzungen. Es spielt dabei jedoch keine Rolle, ob man sich einen Anwalt finanziell leisten kann.
Wann bekomme Ich einen Pflichtverteidiger?
In jedem Fall wird ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn
- das Verfahren vor dem Landgericht / Oberlandesgericht stattfindet
- der Betroffene in Untersuchungshaft genommen wird
- dem Betroffenen ein Verbrechen vorgeworfen wird (Mindeststrafe 1 Jahr, z.B. Geldfälschung, sexuelle Nötigung, Raub, räuberischer Diebstahl, Brandstiftung)
- die psychiatrische Begutachtung des Betroffenen in Betracht kommt
- bei guter Begründung durch den Anwalt
- eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder mehr möglich ist
- ein Beweisverwertungsverbot in Betracht kommt
- der Betroffene unter Betreuung steht
- ein Geschädigter als Nebenkläger auftritt (OLG Köln, 03.12.2011, III – 1 RVs 213/10)
- ein Antrag nach § 35 BtMG (Drogentherapie) gestellt werden soll
- eine Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt
- ein Bewährungswiderruf droht, also bei offener Bewährung
- die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat
- ein Unterbringung nach § 64 StGB droht (Entziehungsanstalt / Therapie)
- die Ausweisung droht
- Aussage gegen Aussage steht
- die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht ausreichend vorbereitet werden kann
- eine Vielzahl von Einzeltaten verhandelt werden sollen
- es um eine Wirtschaftsstrafsache geht
- Versuch / Rücktritt zu erörtern sind
- und in vielen weiteren Fällen
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